Diese Frage wird mir sehr häufig gestellt. Ein guter Grund sie mal etwas ausführlicher zu beantworten :o)
Zunächst einmal möchte ich dazu festhalten, daß wir in der Osteotherapie nicht von Blockaden sondern von Läsionen sprechen.
Diese Läsionen können nicht nur die direkte Gelenkmechanik betreffen, sondern auch alle anderen Gewebe im Körper.
Es handelt sich dabei um Funktionsstörung der entsprechenden Strukturen.
Um diese Störungen im Organismus zu finden bedarf es viel Wissen über die normale Funktion, viel Gefühl um die teils sehr geringen Läsionen aufzuspüren und einer sehr gründlichen Anamnese ( incl. der Arbeitssituation für das Pferd) sowie Untersuchung.
Daher wird eine osteotherapeutische Behandlung einige Zeit in Anspruch nehmen und ist leider nicht mal eben durch zweimal rucken erledigt.
Läsionen enstehen häufig bei, für das Pferd, unerwarteten Situationen.
Bei Bewegungen sind Lebewesen mit einer Art Schutzreflex ausgestattet, der verhindern soll, daß es durch unwillkürliche Bewegungen zu Gelenkfehlstellungen ( z. B. Luxationen) kommt.
Manchmal passiert es jedoch, daß dieser tolle Reflex "etwas zu langsam" für ein plötzliches Ereignis ist und quasi seinen Dienst versagt.
In solchen Momenten werden Gelenke nicht mehr ausreichend gesichert und können sich leicht (Läsionen) bis schwer (Luxationen und Subluxationen)
"verschieben".
Diese bedeutet für das betroffene Gelenk eine unphysiologische (unnormale) Bewegung wobei dann der nächste Schutzreflex ins Spiel kommt! Genannt reflektorischer muskulärer Hartspann.
Der Organismus realisiert recht schnell, daß da was "schiefgelaufen" ist und versucht nun durch verstärkte unwillkürliche Muskelanspannung das Gelenk wieder zu stabilisieren. Beispielsweise ungefähr so wie bei einem Autounfall mit Schleudertrauma... die Gelenke der Halswirbelsäule werden durch den heftigen Ruck unphysiologisch bewegt (Schutzreflex zu schwach für das Ereignis) daraufhin werden sich die Nackenmuskeln reflektorisch anspannen um die Halswirbelsäule wieder zu stabilisieren (Nackenverspannung).
Bei Pferden können solche Mechanismen z. B. entstehen, wenn sie unverhofft in ein Loch/Kuhle treten, mit dem Becken an etwas hängenbleiben (Boxenwand, Pfahl etc.), wegrutschen, stürzen, sich im Halfter aufhängen, uvm.
Dabei können leichte bis schwere Läsionen entstehen, je nach Ausprägung des Ereignisses und der Konstitution des Pferdes.
Bei leichteren Läsionen kann es sein, daß man anfangs gar nichts davon merkt, da Pferde wahre Meister im kompensieren (umgehen des Problems) sind.
Durch längeres kompensieren werden jedoch andere Strukturen unphysiologisch beansprucht, wodurch sich die anfängliche Läsion quasi ausweiten kann. Es entstehen dann
über die Zeit regelrechte Läsions-Ketten. Oftmals erinnert sich der Reiter nicht mal mehr an den möglichen Auslöser, da er ihn gar nicht als Problem empfunden hat ( ist vor ca. 4 Wochen beim
Ausritt hinten weggerutscht....).
Daher auch die Wichtigkeit einer gründlichen Anamnese (Befragung des Besitzers) und einer möglichst zeitnahen Behandlung. Dieser kommt vielleicht auf einen
Therapeuten zu, da sein Pferd immer wieder Probleme in der Anlehnung macht....
(Beim normalen rumtoben auf der Weide passiert in der Regel nichts, außer natürlich wenn dabei die eben genannten Dinge passieren.)
Die oben beschriebenen Auslöser führen allerdings auch zu Läsionen im umliegenden Gewebe (Gelenkkapsel, Sehnen, Bänder, Faszien).
Daher ist es unbedingt erforderlich diesen Geweben auch seine Aufmerksamkeit zu schenken!
Das reine testen der Gelenkmechanik ist nicht ausreichend um sich ein gutes Bild über den Patienten zu verschaffen.
Insbesondere sollten Muskulatur/Sehnen, Faszien und die Haut auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft werden!
Für jedes einzelne Gewebe gibt es verschiedene Behandlungstechniken um ihre normale Funktion wieder herzustellen oder zu verbessern.
Weitere Ursachen für Läsionen sind:
- psychischer Stress
- zuviel oder zuwenig Bewegung
- akute oder chronische Erkrankungen
- Fehlstellungen/-haltungen
- Narbengewebe
- Verletzungen
- Tumore
- Entzündungen
- Arthosen
- falsche Reitweise
- schlechter Zahn- und/oder Hufzustand
- Sattel/Trense/Ausbinder
- falsche Haltungsform
- uvm....
Alles steht in Wechselwirkung untereinander und muss auch so behandelt werden!
Es genügt nicht eine eingeschränkte Bewegungsrichtung zu korrigieren (manipulieren "einrenken") sonder es muss zumindest das umliegende Gewebe mitbehandelt werden.
Da wir leider oft nicht wissen, was unser Pferd so erlebt hat und wodurch sich daraus Schwierigkeiten entwickelt haben könnten ist es immens wichtig Veränderungen beim reiten oder/und im Umgang zu hinterfragen!
Es ist sehr ratsam, bei Problemen die Ursache abzuklären und nicht dem Pferd automatisch "Bockigkeit" zu unterstellen!
Ist auch ein besseres Gefühl für den Reiter, wenn er weiß, daß alles (wieder) in Ordnung ist!
Dann kann man beruhigt weiter an der Gymnastizierung seines Pferdes arbeiten, ohne schlechtes Gewissen ;o)
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